Ein Vorbild fürs Leben

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“W.W.J.D. – What would Jesus do?” Teenager in der ganzen Welt tragen seit einigen Jahren diese Buchstaben am Handgelenk und drücken damit aus: Jesus ist für uns nicht nur ein Lehrer, der eine wichtige Botschaft bringt. Das auch. Er ist nicht nur der Erlöser der Welt. Das auch. Aber er ist mehr als das: Jesus ist für uns ein Vorbild für das Leben im Alltag. Die schlichte Frage „Was würde Jesus tun?“ sagt: Hier geht es nicht um kirchliche Moralvorschriften, christliche Tradition oder theologische Ethik. Hier geht es darum, sich ganz praktisch an einem Vorbild zu orientieren. „Imitatio Christi“ hätten die Väter dazu gesagt, die MTV-Kultur findet natürlich englische statt lateinischer Begriffe.

Aber geht das eigentlich so einfach? Kann Jesus ein Vorbild sein in unserer Zeit? Konnte er ein Vorbild sein zur Zeit eines Thomas von Kempen? War er zu seiner eigenen Zeit ein Vorbild?

Dass Jesus seine enorme Wirkung als Vorbild bis heute nicht verloren hat, das zeigt allein schon die Tatsache, dass sich Vertreter aller politischen und ethischen Überzeugungen – oft sogar völlig entgegengesetzter – mit ihren Ansichten auf Jesus berufen: „W.W.J.B. – wen würde Jesus bombardieren?“ konterten Bush-Gegner im Wahlkampf des letzten Jahres. Damit stellten sie die Jesus-Gemässheit der amerikanischen Konservativen in Frage, reklamierten aber eben diese für sich selbst. Es ist eben gar nicht so einfach, auf die Frage „Was würde Jesus tun?“ eine eindeutige Antwort zu finden.

Sollte man deshalb auf Jesus als Vorbild ganz verzichten? Aber was wäre dann die Alternative? Andere Vorbilder? Wären diese denn etwa eindeutiger? Oder liegt nicht gerade darin die Stärke und Bedeutung eines Vorbildes – dass man eben nicht einem starren Gesetzescodex oder einem theologischen System folgt, sondern einer Person in all ihrer schillernden Mehrdeutigkeit?

Vielleicht ist ja gerade das das Geheimnis der Inkarnation: Dass Gott Mensch wurde, um uns in eben dieser Mehrdeutigkeit vorzuleben, was Mensch sein bedeutet. Jesus ist das Ebenbild des lebendigen Gottes und damit gleichzeitig auch das Bild des Menschen in seiner Gottes-Ebenbildlichkeit: Eben ein Vor-Bild.

Auch wenn man sich also über Einzelheiten  politischer oder persönlicher Überzeugung durchaus streiten kann: Wie viel wäre für die Menschheit gewonnen, wenn sie sich an diesem Vor-Bild orientieren würde. Drei Beispiele seien zum Schluss kurz genannt. Beispiele, die ganz bewußt jenseits aller Meinungsverschiedenheit stehen und die in unserer Zeit so bitter nötig wären:

Zum ersten die Einheit von Reden und Handeln, die wir bei Jesus sehen. Wieviel wäre gewonnen, wenn Vertreter aller Parteien und aller politischen Couleur dieses von Jesus lernen würden: Zu leben, was sie reden. Jesus hat die Armen nicht nur selig gepriesen, er hat sich ihrer angenommen. Er hat nicht nur von Liebe geredet, sondern sie gezeigt. Únd er hat Opfer nicht nur gefordert, sondern sie gebracht.

Zum zweiten ist das die Einheit von Wahrheit und Liebe. Jesus war nicht wie die erbarmungslosen Wächter die Wahrheit, noch war er bereit, um der Liebe willen die Wahrheit zu verbiegen. Er nannte die Sünder Sünder und nahm sie dennoch in Liebe an. Er betete für seine schlimmsten Feinde und heilte noch den Soldaten, der kam, ihn zu verhaften. Wieviel wäre für die Streitkultur unserer Gesellschaft gewonnen, wenn Jesus hier zum Vorbild würde.

Als drittes Beispiel sei die Einheit von Spiritualität und Alltag genannt: Für Jesus gehörte beides zusammen, der Himmel und die Erde. Gebet durchzog selbst die hektischsten Minuten seines Alltag wie ein roter Faden. Er redete von Gott, wo andere nur ans Wasserholen dachten, und sorgte für guten Wein, wo andere eine Predigt erwartet hätten. Ein gottvolles Leben mit menschlichem Angesicht: Das ist ein Vorbild, dem ich gerne folge.


Quelle: Die Nordelbische 9/2005, S.1 (184 kB)

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